Der drohende Verlust - Wer hat Angst vor den Disability Studies?
Ein Interview mit Siegfried Saerberg und Sarah Karim
30.08.2025 47 min
Zusammenfassung & Show Notes
Disability Studies in Gefahr – Warum wir jetzt laut werden müssen
In dieser Folge reagiert Sascha „Inklusator“ Lang auf einen dringenden Appell: In Deutschland stehen zentrale Strukturen der Disability Studies unter massivem Druck. Im Gespräch mit Dr. Sarah Karim (Universität Köln, Vertretungsprofessur für Soziologie & Politik der Rehabilitation und Disability Studies) und Prof. Dr. Siegfried Saerberg (Evangelische Hochschule für Soziale Arbeit und Diakonie, Hamburg; Lehrstuhl Disability Studies & Teilhabeforschung; Vorstand der Fachgesellschaft für Disability Studies, DSD) klären wir, was Disability Studies sind, warum sie weit über Pädagogik hinaus als sozial- und geisteswissenschaftliche Perspektive wichtig sind und wieso ihr Wegfall gravierende Folgen für Inklusion, Teilhabe und Rechtspolitik hätte.
Ausgehend vom sozialen Modell von Behinderung und der UN-Behindertenrechtskonvention zeigen die Gäste, wie Forschung, Partizipation und Praxis zusammengehören – vom Bedarf an Audiodeskription im Alltag bis zur gesetzlichen Barrierefreiheit. Zugleich schildern sie die akute Lage: In Hamburg droht die Schließung eines Zentrums samt Professur, in Köln ist die Professur unbesetzt und damit besonders kürzungsgefährdet; Bochum gilt derzeit als stabil. Beide ordnen diese Entwicklung in einen größeren gesellschaftlichen Backlash ein – Sparpolitik, konservative Gegenbewegungen und der Verlust langfristiger Zukunftsperspektiven in Bildung und Forschung.
Die Episode ist ein klarer Call to Action: Unterschreibt die Petition, teilt sie in euren Netzwerken, schreibt Abgeordneten und fordert ein politisches Bekenntnis zu Disability Studies und gegen pauschale Kürzungen im Bildungsbereich. Hochschulen, Verbände und Medien sind eingeladen, Stellung zu beziehen und Sichtbarkeit zu schaffen.
Wichtige Links auch zur Petition:
Appell auf der AGDS-Seite:
https://disabilitystudies.de/disability-studies-bedroht-kritisch-emanzipatorische-wissenschaft-schutzen-und-starken/
Petition:
https://weact.campact.de/petitions/disability-studies-bedroht-kritisch-emanzipatorische-wissenschaft-schutzen-und-starken-1
Berichterstattungen:
https://www.deutschlandfunk.de/interview-wissenschaftler-innen-warnen-vor-kuerzung-bei-disability-studies-100.html
https://www.nd-aktuell.de/artikel/1193406.disability-studies-barrierefreiheit-ist-unsere-utopie.html
https://www.freitag.de/autoren/ulrike-baureithel/forschung-in-deutschland-barrierefreiheit-in-gefahr
Weitere Links zum Hamburger Schattenbericht:
Startseite <https://www.schattenbericht-hamburg.de/>
schattenbericht-hamburg.de <https://www.schattenbericht-hamburg.de/>
Instagram:
Schattenbericht Hamburg (UN-BRK)
Links zum IGEL Podcast
Podcast „IGEL – Inklusion Ganz Einfach Leben“
Webseite: www.inklusator.com
Socialmedia:
Facebook: https://www.facebook.com/igelpodcast
Feedback: office@inklusator.com
Transkript
Ich bin völlig blind. Manchmal habe ich das Gefühl, meine Tage und Nächte sind
auf den Kopf gestellt, weil ich Schwierigkeiten habe, nachts zu schlafen und
tagsüber wach zu bleiben.
Ich leide unter 924, einer seltenen Schlaf-Wach-Rhythmusstörung,
die viele völlig blinde Menschen betrifft.
Möchtest du mehr über diese Erkrankung in Verbindung mit völliger Erblindung
erfahren? Rufe kostenfrei an unter 0800 24 24 008.
Music.
Igel. Inklusion. Ganz einfach leben.
Der Podcast für gelebte Inklusion.
Mit eurem Inklusator Sascha Lang,
Die Aktualität ruft, das ist der IGL-Podcast, die Episode 281.
Mein Name ist Sascha Lang.
IGL ist Inklusion, ganz einfach leben. Der Podcast für gelebte Inklusion.
Und gelebte Inklusion braucht auch Disability Studies.
Die stehen nämlich vor dem Aus oder sollen ganz drastisch reduziert werden.
Dieser Appell, der mir dann in die Mailbox geflattert ist, hat mich dazu berufen,
diesen Podcast zu produzieren und zwar mit Sarah Karim und Siegfried Saarberg.
Ein Podcast über Disability Studies und den Aufruf an euch, liebe Zuhörer,
an einer Petition teilzunehmen und auch vielleicht in diesem Podcast herauszufinden,
was die Disability Studies sind und warum sie so wichtig sind.
Und warum es auch wichtig ist, dass der Standort Hamburg nicht wegradiert wird
und vor allem auch nicht am Stuhl gesägt wird in Köln.
Bochum bleibt scheinbar bestehen, aber die anderen beiden sind in Gefahr.
Hört gut zu, lasst euch inspirieren. Sehr spannendes Thema, meine Interviewgäste
Siegfried Saarberg aus Hamburg und Sarah Karim aus Köln.
Mein Name ist Sascha Lange, ich bin euer Inklusator und ich wünsche gute Unterhaltung.
Music.
IGL Inklusion, ganz einfach eben der Podcast für gelebte Inklusion.
Aktualität ist bei uns wichtig. Die Episode 281 ist heute am Start und zwar Aktualität.
Disability Studies ist mir jetzt in den letzten Tagen, Wochen ganz öfters aufgeploppt.
Und zwar nicht, weil es neue Erkenntnisse gab, sondern weil die Disability Studies
irgendwie auf dem Abstellgleis gelandet sind.
So wie die eine oder andere Inklusionssache in diesem Land. Und wir haben uns
deshalb dazu entschieden, mal ein bisschen tiefer in die Materie einzusteigen.
Und ich habe zwei Interviewgäste.
Siegfried Sader, habe ich das jetzt richtig ausgesprochen?
Saarberg. Saarberg. Siegfried Saarberg und Sarah Karim. Herzlich willkommen, ihr beiden.
Hallo. Ja, danke für die Einladung. Ja, und ihr seid Fachleute auf diesem Gebiet.
Aber bevor wir herausfinden, warum ihr Fachleute seid, würde ich euch mal darum
bitten, euch mal kurz vorzustellen. Sarah, fang du mal an.
Wir bleiben beim Du in diesem Podcast, haben wir uns einfach so entschlossen dazu.
Sarah, wer bist du, was machst du und was hast du mit Disability Studies zu tun?
Ja, gerne. Ich bin Sarah Karim. Ich bin Soziologin von Haus aus und seit ungefähr
2023 beschäftige ich mich nochmal so verstärkt mit dem Thema Behinderung aus
soziologischer Sicht und mit den Disability Studies.
Ich habe da angefangen, am Lehrstuhl in Köln erst mal als wissenschaftliche
Hilfskraft, dann als Doktorandin zu arbeiten.
Und seit letzten Oktober darf ich diese Professur in Köln für Soziologie und
Politik der Rehabilitation und Disability Studies vertreten,
die vorher über 20 Jahre von Anne Waldschmidt besetzt wurde.
Die ist jetzt ganz wohlverdient in den Ruhestand gegangen.
Genau, vielleicht so viel erst mal dazu. Siegfried, zu dir. Ja,
gerne. Ich bin Siegfried Saarberg.
Ich bin auch Soziologe von Hause aus, aber nebenbei auch noch künstlerisch tätig.
Ich habe promoviert bei Thomas Luckmann und Ronald Hitzler. Das sind so meine Herkunftsorte.
Und dann bin ich seit 2020 in Hamburg tätig.
An der Evangelischen Hochschule für Soziale Arbeit und Diakonie,
das Raue Haus, und habe da den Lehrstuhl für Disability Studies und Teilhabeforschung inne,
der jetzt zurzeit zur Disposition steht, also abgeschafft werden soll.
Außerdem bin ich noch im Vorstand der Fachgesellschaft für Disability Studies
in Deutschland, DSD, eingetragener Verein.
Ja, Disability Studies für die Menschen, die jetzt nicht so genau wissen,
Also da befindet sich natürlich der Begriff Disability, also Behinderung mit
drin, Studies, Studien.
Wer von euch kann mir mal ganz kurz erläutern für unsere Zuhörer,
was ist das eigentlich, was wird da überhaupt gemacht und warum ist es so wichtig?
Ja, Siegfried, willst du anfangen? Genau, du kannst dann einfach ergänzen und korrigieren.
Genau, also Disability Studies kommt aus Großbritannien und den USA.
Forschung im Bereich der Behinderung, aber eine besondere Art von Forschung.
Und diese Ability Studies sind groß geworden, so mit der Bürgerrechtsbewegung
und mit verschiedenen eher politisch links orientierten ForscherInnen in Großbritannien.
Und es geht darum, dass wir sagen, Behinderung ist kein defizitäres Phänomen,
ist also kein Mangel, den eine einzelne Person hätte,
die dann therapiert werden müsste, die dann bestimmte Maßnahmen über sich ergehen
lassen müsste, um sich an die Gesellschaft anzupassen und an die Kultur anzupassen.
Nein, wir sehen das anders.
Behinderung ist ein soziales Problem, kein persönliches, individuelles Problem.
Also nicht das Problem von Sarah, Sascha oder Siegfried. Oh, wir fangen alle mit S an.
Sondern es ist ein Problem der Gesellschaft, der Bundesrepublik Deutschland.
Und dieses Problem ist mit richtigen, guten Gesetzen zum Beispiel in erster Linie zu behandeln.
Also es muss viel Barrierefreiheit zum Beispiel gesetzlich streng geregelt werden.
Und wenn ich das Gesetzliche anspreche, dann kommt natürlich auch gleich die berühmte,
Menschenrechts, Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen rein,
also die kurz UNBAK, Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen,
die wir ja 2006 erstritten haben sozusagen.
Und wenn ich sage wir, dann meine ich damit nicht nur PolitikerInnen,
sondern damit meine ich die Behindertenbewegung,
die internationale Behindertenbewegung, die auch durch die Disability Studies
so richtig in Schwung gekommen ist und die auch durch die Lehren der Behinderten,
der Disability Studies,
wurde die Behindertenbewegung wirklich auch auf sozusagen das Wissensniveau
gebracht, das man braucht, um Politik wirklich voranzubringen und durchzusetzen.
Also soziales Modell, das wäre das große Stichwort.
Die Disability Studies sagen, die Gesellschaft muss sich ändern.
Es müssen gute Gesetze gemacht werden.
Auch die Köpfe der Menschen müssen sich ändern. Die müssen Behinderung anders
anschauen, nicht sozusagen, Ach, dieser arme, behinderte Mensch da mit seinem
Blindenstock, mit seinem Rolli.
Oh meine Güte, der kommt ja gar nicht die Treppen rauf.
Ja, der kommt die Treppen nicht rauf, weil es keine Rampen gibt. So sehen wir das.
Das ist nicht das Problem der Rollifahrerin, sondern das ist das Problem,
dass es keine Lifts, dass es keine Rampen und so weiter gibt.
Keine Gebärdensprache, die sozusagen gesellschaftweit benutzt werden kann.
All das sind Dinge, die uns behindern.
Du kennst den alten Slogan der Behindertenbewegung, wir sind nicht behindert, wir werden behindert.
Das ist mein erster Schwall zu der Frage. Ich gebe mal an Sarah weiter,
weil die hat bestimmt auch viele Dinge zu ergänzen.
Genau, danke schön. Ich finde, das hat das schon sehr auf den Punkt gebracht.
Vielleicht auch so ein bisschen zur Abgrenzung.
Also meistens ist ja eine Forschung zu Behinderung vor allem so aus pädagogischer Sicht.
Das sind dann irgendwie von mir aus Rehapädagogik oder Heil- und Sonderpädagogik.
Aber wir sind ja jetzt zum Beispiel, Siegfried und ich, auch nicht zufällig
SoziologInnen, die sich dafür interessieren,
sondern die Disability Studies sind eben interdisziplinär, aber eben eher in
diesen Sozial- und Geisteswissenschaften verankert als jetzt in einer Pädagogik,
die ja auch immer so ein bisschen danach suchen muss.
Ja, wie ist jetzt der Umgang mit behinderten Menschen?
Wie kann man zum Beispiel behinderte Kinder in der Schule fördern oder so?
Und wir gucken uns das eher so ein bisschen an, also welche Kultur und welche
Gesellschaft steckt sozusagen dahinter,
wie wir hier das in Anführungsstrichen Problembehinderung bearbeiten wollen.
Und genau, Siefried hat ja schon gesagt, dass die Behindertenbewegung und die
Disability Styles immer so eng miteinander zu tun hatten, ist deswegen eigentlich
kein Zufall, sondern das ist sozusagen der Ursprung.
In dem Sinne sind wir schon parteiisch, dass wir eben uns immer auf die Seite
der Menschen mit Behinderung stellen und sehr viele ForscherInnen sind auch
selbstbehindert, leben mit einer Behinderung.
Genau, ich selber jetzt zum Beispiel bin, wie wir immer so schön sagen,
temporary able-bodied, also zeitweise nicht behindert.
Aber das ist eben auch sowas, dass wir diese Subjektsicht der Menschen selbst
ins Zentrum stellen in unserer Forschung und in unserem Arbeiten.
Jetzt ist das eine ja die Forschung. Jetzt ist das andere ja,
ihr habt alle beide gesagt, dass ihr einen Lehrstuhl habt.
Das heißt, ihr unterrichtet das auch, wenn ich das mal so ganz brutal runterbreche.
Das heißt, es gibt also Lehrgänge zum Disability Studies.
Ich kenne selber ein paar Personen, die das früher gelernt haben,
die auch auf meiner anderen Arbeit in Luxemburg mit mir arbeiten,
die das ja dann auch studiert haben. Das studiert man ja dann.
Das ist ja das eine, die Forschung, das andere, das Studieren.
Was bin ich denn dann, wenn ich ausgebildete Disability Studies Student bin?
Was kann ich damit machen?
Das ist ja so ein Teil des Problems, lieber Sascha, weil du kannst zwar in die
Disability Studies reinschnuppern bei uns in Deutschland, aber du kannst das
nicht richtig studieren in dem Sinne, dass du einen Abschluss dann hast.
Du kannst jetzt keinen Bachelor oder Master in Disability Studies machen.
Du kannst soziale Arbeit studieren und du kannst innerhalb dieses Studiums ganz
viele, wenn du Glück hast und an deiner Hochschule wird das unterrichtet,
ganz viele Seminare zu Disability Studies belegen.
Aber das ist nur so eine Art Schwerpunkt, den du da wählen kannst.
Oder du studierst Sonderpädagogik, dann kannst du das auch machen.
Aber du kannst keinen wirklichen Abschluss darin machen. Oder,
Sarah, ist das bei euch in Köln anders?
Nein, leider auch nicht. Also wir sind ja hier am Department für Heilpädagogik und Rehabilitation.
Und die Studierenden, die bei
uns studieren können, die studieren Heilpädagogik oder Rehawissenschaft.
Oder Sonderpädagogische Förderung. Das ist sozusagen das Lehramt für die Förderschulen.
Und dann kann man bei uns Module belegen also wir haben zum Beispiel in dem,
Und in dem Lehramtsstudiengang, da können die dann ein Modul wählen,
aber das sind dann halt ein paar Studierende, die das machen.
Was ich immer versuche, ist viel über das Studium Integrale anzubieten sozusagen,
dass dann andere Studierende aus der ganzen Uni die Möglichkeit haben,
die Disability Studies kennenzulernen.
Und da kommen immer gerne auch welche eben aus den Sozialwissenschaften,
aus der Anthropologie, Ethnologie und Ähnlichem, weil wir da natürlich sehr anschlussfähig sind.
Und was es in Köln auch gibt, ist der Master für Gender und Queer Studies.
Da haben wir auch immer Studierende mit drin. Das passt natürlich eben auch
ganz gut, weil das von der Perspektive sehr ähnlich ist.
Genau, aber das hast du vollkommen recht, Siegfried. Es gibt ganz viele Leute
in Deutschland, die Disability Studies sozusagen so mitmachen.
Oder an den Hochschulen gibt es auch viele, die haben eine sogenannte Teildenomination.
Also die haben dann irgendwie einen Studiengang, ich weiß jetzt gar nicht,
Inklusionspädagogik und Disability Studies oder sowas.
Genau, also die machen das sozusagen mit und dann können die Studierenden da Kurse belegen.
Aber es gibt leider nirgends einen Studiengang, weil wir wenig auf so einen
Ort sozusagen konzentriert sind, an dem man einen Studiengang auch bewerkstelligen könnte.
Genau, deswegen ist das leider nicht der Fall, dass man dieses Fach studieren kann.
Aber es wäre für uns eigentlich so ein Ziel, dass man zum Beispiel einen Master
in Disability Studies irgendwann mal anbieten könnte.
Siegfried, noch die Frage, du hast vorhin kurz angedeutet, dass du auch im Vorstand
bist eines Vereins, der sich um Disability Studies kümmert.
Kannst du uns nochmal kurz, bevor wir noch zur Wichtigkeit der Disability Studies
eingehen, nochmal kurz den Verein präsentieren, was macht ihr,
warum gibt es euch und wer ist da drin?
Ja, dieser Verein ist herausgewachsen aus einer Arbeitsgemeinschaft für Disability
Studies, also eine lockere Organisationsform.
Ein Verein ist in Deutschland ja eine Organisationsform mit einer festen Satzung,
mit bestimmten Regeln, an die man sich hält, Hauptversammlung,
einmal im Jahr mindestens.
Du hast beim Finanzamt eine Berichtspflicht und so weiter. Und das ist natürlich
schon eine festere Form. Da können tatsächlich alle Menschen Mitglied werden,
die an Hochschulen sich mit Disability Studies beschäftigen.
Die Person muss nichtbehindert sein. Also du kannst auch als Nichtbehinderte
oder wie Sarah eben gesagt hat, als TAB,
das ist immer unser englischer Kürzel für Temporary Able-Bodied,
also zeitweise nichtbehindert, sag ich jetzt mal auf Deutsch,
ein bisschen anders übersetzt.
Da kannst du also auch Teilmitglied werden und wir versuchen halt Disability
Studies mehr ins Zentrum des Bewusstseins in Deutschland zu rücken.
Ja, also das ist noch nicht der Fall tatsächlich. Wir sind am Anfang eigentlich
erst und mehr viel mehr kann ich dazu auch gerade nicht sagen.
Alles gut. Ihr habt vorhin erklärt, was Disability Studies ist.
Ich würde gerne nochmal den Fokus drauf lenken, warum sind Disability Studies so wichtig?
Ihr habt es gesagt, im pädagogischen Bereich ist es wichtig,
im soziologischen Bereich ist es auch wichtig, weil es ein Gesellschaftsthema ist.
Es ist nicht nur ein pädagogisches Thema, sondern definitiv auch ein Gesellschaftsthema.
Aber warum sind diese Ability Studies so wichtig und was bringen sie uns,
der Gesellschaft, den Betroffenen, aber auch der Politik?
Also zwei Fragen. Warum ist es wichtig und was bringen sie uns? Wer will antworten?
Oder teilt ihr euch auf? Teilt ihr euch auf?
Okay, soll ich mal anfangen? Und du mal an. Ja, genau.
Also das eine ist vielleicht mal so die grundsätzliche Feststellung,
dass Forschung ist ja frei und muss nicht immer einen unmittelbaren Zweck haben.
Es geht ja auch darum, erst mal Wissen zu generieren.
Also erst mal zu gucken, genau, wie ist eigentlich unsere Gesellschaft aufgebaut,
dass wir manche Menschen als behindert kategorisieren und andere als nicht behindert.
So, da steckt ja ganz viel dahinter.
Stichwort Leistungsgesellschaft. Wir haben eine Arbeitsgesellschaft.
Die Arbeitsfähigkeit ist immer wichtig.
Wir haben auch eine Gesellschaft in Deutschland, die sehr stark segregiert,
zum Beispiel im Schulsystem.
Es geht ja immer mal wieder so um das dreigliedrige Schulsystem,
aber eigentlich haben wir ein noch viel mehrgliedrigeres, weil wir diese ganzen
Förderschulen noch haben.
Und genau, das sind dann eben eher die Fragen, die wir auch stellen.
Also wieso gibt es diese Systeme? Wieso wird mit, ich sage jetzt erstmal verkörperter
oder körperlicher Differenz, eben es gibt zum Beispiel Leute,
die sehen können, es gibt Leute, die nicht sehen können. Wieso?
Und kategorisieren wir die einen dann als behindert und die anderen als nicht behindert.
Ich finde, Siegfried, du hast das ganz toll gemacht in deiner Forschungsarbeit,
einfach zu sagen, es gibt einen Blindenwahrnehmungsstil und einen Sehenden.
Das ist eigentlich eher mal so eine neutrale Bezeichnung dafür.
Also deswegen ist erstmal die Wissensgenerierung für die Disability Studies im Vordergrund.
Und weil wir eben nicht immer darauf gucken, ja, was kann man jetzt davon pädagogisch
ableiten, was kann man jetzt sozusagen da immer so als Ergebnisse,
die dann umsetzbar sind, sozusagen machen.
Deswegen können wir halt sehr frei diese Gesellschaft erstmal beobachten und
analysieren und dann da auch kritisch drauf gucken.
Und dieses kritische Element ist ganz wichtig bei den Disability Studies zu gucken eben.
Also Siegfried hat schon das soziale Modell von Behinderung erwähnt.
Ich weiß nicht, wie weit das hier bekannt ist.
Das wurde in den 70er Jahren in Großbritannien entwickelt.
Und die haben eben gesagt, ja, es mag körperliche Unterschiede geben.
Die bezeichnen wir jetzt als Beeinträchtigung.
Aber die Behinderung, das ist in der Umwelt.
Das sind die Barrieren, das sind die Vorurteile, das sind die Stereotype,
die uns eigentlich daran hindern, gleichberechtigt mit anderen.
An der Gesellschaft teilzuhaben. Und ich finde, diese andere Perspektive auf
Behinderung, das ist eigentlich das Wichtige.
Und das haben auch Disability Studies relativ exklusiv, eben dass die Perspektiven
der sogenannten Betroffenen privilegiert werden, also quasi ins Zentrum gerückt werden.
Und da kommen dann eben für Menschen, die jetzt keine Behinderung haben,
auch oft sehr überraschende Dinge dabei rum sozusagen. Und das kann dann so
seinen Lauf nehmen, sage ich mal, und eben auch den Leuten was bringen.
Also eben dieses behindert ist man, nicht behindert wird man,
man muss Barrieren abbauen, das ist ja für uns heutzutage relativ gängig.
Wir sprechen von Inklusion, von der UN-Behindertenrechtskonvention.
Ich würde aber tatsächlich die These vertreten, dass das alles nicht gegeben
hätte ohne die Behindertenrechtsbewegung und sozusagen auch nicht ohne die akademische
Bearbeitung durch die Disability Studies.
Vielleicht nicht da. Oder Sascha, willst du noch?
Soll ich nochmal ein bisschen anschauen? Genau, Sarah hat ja schon netterweise
auf meine Arbeit hingewiesen.
Ich versuche das mal vielleicht an dem Beispiel nochmal auszuführen,
wo dieses Akademische, dieses ein bisschen was so wie La Polar klingt,
wo das dann aber auch wirklich in praktische, politische, kulturelle Handlungen umschlagen kann.
Also die erste Idee ist die, wenn wir forschen, dann ist Behinderung und Menschen
mit Behinderung immer ganz wesentlich dabei. Also das wäre der Gedanke der Partizipation.
Ich bin jetzt zum Beispiel selber auch eine blinde Person und habe mir mal angeschaut,
wie funktioniert das, wenn Blinde und Sehende miteinander sprechen.
Ich habe den Straßenverkehr als Beispiel genommen.
Wenn du fragst, wie komme ich denn zum Bahnhof?
Dann kommt das immer so als Antwort, ah ja, dann gehen sie da lang.
Und dann zeigen die Leute. Und das ist natürlich Quatsch, weil wir da können
nichts mit anfangen als blinde Personen.
Und die erste Erkenntnis, die daraus gezogen werden kann, ist die,
wenn sehende Menschen irgendwie etwas Sehendes, etwas Sichtbares vor Augen haben
und sie gucken beide drauf, dann wird das nicht wirklich Thema.
Also höchstens, dass man sagt, guck mal da und dann lachen alle oder nein,
wie kann man nur, aber sie sagen nicht, was da passiert.
So, und das wäre natürlich für uns Blinde total wichtig. Im Grunde kannst du
sagen, es findet unter Sehenden im Alltag keine Audiodeskription statt.
Und da sind wir schon bei einer Forderung.
So, ich weiß nicht, ein weiterer Satz, den wir machen, wir haben nicht so viel
Zeit. Wir müssen jetzt in einzelnen Schritten machen.
Aber da könnten wir jetzt sagen, hey, wir haben das rausgefunden,
wie sozusagen der Alltag bei Sehenden funktioniert.
Und der ist total anders, als wenn der Alltag bei Blinden mit Einbezogen ist,
also inkludiert wäre, dann müssten nämlich Sehenden anders sprechen.
Und deshalb brauchen wir mehr Audiodeskription.
Und das können wir dann als kulturelles Tool, als kulturelle Maßnahme für Filme,
für Theater, aber meinetwegen auch im Gespräch in einer Alltagssituation fordern
und überlegen, wie macht man das am besten.
Und dann haben wir ein ganz großes Spektrum von sehr praktischen,
sehr bedürfnisbezogenen Maßnahmen,
Vorgehensweisen, die uns behinderten Menschen, das war jetzt einfach nur das
Beispiel für Blinde, aber für OlifahrerInnen, für taube Menschen gibt es ja
ganz viele ähnliche Beispiele.
Damit kann man ganz viele Vorteile daraus ziehen.
Also die Disability Studies sind absolut wichtig, weil sie sozusagen das Fundament legen.
Weißt du, das ist das Fundament, auf dem wir all die kleinen,
wichtigen Maßnahmen dann aufbauen können.
Ich mache jetzt mal das Bild. Wir haben das Haus gebaut, das inklusive Gesellschaft heißt.
Und wir überlegen jetzt, wie gestalten wir den ersten Stock,
dass er für blinde Menschen funktioniert.
Wie gestalten wir denen, dass Olifahrer eben dahin kommen können.
Wie ist es mit Taubenmenschen, an welchen Stellen wird Gebärdensprache eingebaut
und so weiter und so weiter und so fort.
Aber das Fundament, weißt du, das Fundament sind die Disabilities.
Wenn du die Disability Studies abschaffst, das wäre ungefähr so ähnlich,
wie wenn du die Behindertenrechtskonvention abschaffen würdest,
dann nimmst du all diesen kleinen Maßnahmen sozusagen den Boden,
reißt du ihnen unter den Füßen weg und dann ist die Gefahr,
das ist das, weshalb wir so auf die Barrikaden gehen,
dann befürchte ich, dass viele, viele kleine Maßnahmen, die so gut funktioniert
haben und die jetzt auch schon in Gefahr kommen, dass die dann aber noch viel,
viel schlimmer bedroht sind, als sie das jetzt sind.
Du hast mir eine wahnsinnig gute Steilvorlage gegeben, lieber Siegfried.
Du hast gesagt, wenn das abgeschafft wird und das ist die Gefahr,
deshalb sind wir heute hier, weil es in den Kulissen rummort, dass abgeschafft wird.
Du hast gesagt, ab September weiß nicht mehr, ob du deinen Platz da noch hast,
den du gerade hast. Bei Sarah ist es in Gefahr.
Was ist eigentlich in Gefahr?
Ja, also konkret, genau, ich habe ja vorhin schon kurz erwähnt,
es gibt ja, wie gesagt, sehr viele Leute, die Disability Studies machen an den
deutschen Hochschulen, aber,
also vergleichsweise ist das trotzdem nicht viel, aber genau,
das darf man natürlich nicht unterschlagen, aber es gibt quasi drei ausgewiesene Zentren.
Das ist Bochum, das BODIS, das ist die IDES, die internationale Forschungsstelle
für Disability Studies in Köln und das CEDES Plus in Hamburg, wo Siegfried arbeitet.
Und es gibt halt gerade, es gibt quasi unterschiedliche Probleme,
sage ich mal, die sich jetzt so kumuliert haben.
Da kann man jetzt auch nicht sagen, da gibt es sozusagen irgendwie jemand,
der das so steuert und als bewussten Angriff macht oder so.
Aber es gibt jetzt in Deutschland in der Forschungslandschaft verschiedene Entwicklungen,
die zum Problem werden oder zum Problem werden könnten.
Und zum Beispiel bei uns in NRW ist das halt ganz aktuell die Sparpolitik des Landes.
Es soll an den Hochschulen wirklich massiv gekürzt werden, auch an der Uni Köln.
Und dadurch, dass diese Professur nicht besetzt ist, ich vertrete die ja nur,
ich bin ja gar keine ordentlich berufene Professorin hier,
dadurch, dass sie nicht besetzt ist, ist die quasi sehr vulnerable,
also sehr gefährdet, diesen Kürzungsvorgaben zum Opfer zu fallen.
Und genau das sorgt uns sehr.
Wir können da jetzt nicht quasi sagen, dass das schon entschieden ist,
aber das ist sozusagen die Situation.
Und dann haben wir quasi gehört, dass eben in Hamburg eine ähnliche Sache aus
anderen Gründen passiert.
Und genau bevor vielleicht Siegfried darüber was erzählen kann,
würde ich auch gerne nochmal was dazu sagen.
Es gibt da eine ganz allgemeine Tendenz, also in ganz Deutschland soll in der
Bildung gespart werden, soll an den Universitäten gespart werden.
Und wenn man sich dann genau anguckt, welche Sachen gefährdet sind,
sind das oft kleine Fächer, kritische Fächer, weil die halt eben nicht so diesen
ganz tiefen institutionellen Rückhalt haben.
Also ich habe auch gelesen, Diversitätssoziologie in Göttingen und so weiter.
Und das sind, wie gesagt, nicht unbedingt Entwicklungen, die jemand so ganz
bewusst vorantreibt oder so. Also das gibt es sicher auch.
Ich glaube jetzt so die AfD zum Beispiel wäre jetzt nicht traurig,
wenn es keine Disability Studies mehr gibt, falls sie überhaupt wissen,
dass es das ist. Was das ist. Genau.
Aber man sieht aber doch eine Tendenz. Und wenn wir uns eben anschauen,
dass es in den USA diese Entwicklung gibt, dass diese ganzen Inklusions- und
Diversitätsprogramme eingestellt werden, Genau,
glaube ich, dass es in Deutschland gar nicht so bewusst und öffentlich passiert,
aber wenn es im Ergebnis das Gleiche ist, finde ich das dennoch sehr schwierig.
Und du hast ja auch am Anfang erwähnt, dass das ja nicht die einzigen,
also es ist ja nicht nur die Wissenschaft zur Inklusion sozusagen jetzt hier
ein Problem, sondern eben auch in anderen Bereichen, genau, sehen wir da einen Backlash häufig.
In Hamburg ist die Lage tatsächlich sogar noch dramatischer,
denn meine Professur endet am 30.
September und ich habe auch schon den Aufhebungsvertrag hier auf dem Tisch und
unterschreiben müssen.
Meine beiden KollegInnen am Zentrum für Disability Studies und Teilhabeforschung,
das ist das TEDIS Plus, haben auch schon ihre Kündigungen erhalten und sie werden zum 31.12.
Gekündigt. und deshalb unser dringender Appell an die Öffentlichkeit zu protestieren,
damit das rückgängig gemacht wird.
Denn ich gehe davon aus, Geld ist genug vorhanden. Man muss sich nur entscheiden, wohin man es steckt.
Und was Sarah eben schon ausgeführt hat, gerade für kleine Fächer ist es natürlich
viel bedrohlicher, wenn zwei Lehrstühle von dreien oder zwei Institute von dreien,
die es in Deutschland gibt, geschlossen oder stark gekürzt werden,
dann hast du ja fast die ganze Disziplin ausgerottet.
Im Prinzip, wenn ein Lehrstuhl gekürzt wird in einem Fach, das vielleicht über
100 oder 200 Lehrstühle in Deutschland verfügt, dann ist das natürlich auch
tragisch für die Hochschule, tragisch für die Person, tragisch.
Für das Institut, aber es wird nicht das ganze Feld in Deutschland sozusagen
dem Untergang preisgeben.
Das ist bei Disability Studies aber tatsächlich der Fall. Und ich muss nochmal
sagen, diese Sparfilosophie in Deutschland ist völlig falsch.
Es gibt in Großbritannien den Begriff des Purple Pounds, also Purple,
die Farbe Purple, pur, pures Pfund sozusagen, also die Währung.
Und das heißt, dass es eine eigene Disability Economy, also einen eigenen Wirtschaftszweig
gibt, der mit Behinderung verbunden ist.
Das können Hilfsmittel sein, das können Menschen sein, die behindert sind und
in den Beruf kommen, ins Arbeitsleben kommen und Geld verdienen,
dafür sich wieder Sachen kaufen, die dann wieder rückfließen in den allgemeinen
wirtschaftlichen Kreislauf.
Das können aber auch zum Beispiel Ausgaben sein, die ganz viele private Firmen
tätigen müssen, weil sie von dem Gesetzeslager her dazu verpflichtet sind,
um ihre Geschäfte barrierefrei zu machen, um ihre Softwareprodukte,
ihre digitalen Angebote barrierefrei zu machen und sie damit für behinderte
Menschen zugänglich zu machen.
Das ist am Anfang eine Investition, aber das wird sich auch auszahlen,
weil es ist ja nicht nur vergeudetes Geld, Geld, das irgendwo hingeschmissen wird,
in irgendein Kriegsgerät, das dann auf dem Schlachtfeld zerstört wird,
sondern es ist Geld, das in die Gesellschaft hineinfließen wird,
weil dann behinderte Menschen viel mehr Möglichkeiten haben und sich selber
am Wirtschaftskreislauf betätigen können.
Und damit fließt das Geld dann wieder zurück in die Gesellschaft.
Das ist in Deutschland so ein Denken, das sehr verkürzt ist.
Man denkt immer, um Gottes Willen, die Wirtschaft geht pleite.
Jetzt müssen die alle auf einmal Rampen installieren und müssen Behindertentoiletten aufnehmen.
Ja, das kostet Geld. Aber ich meine, die Leute, die die Toiletten bauen,
werden dadurch bezahlt.
Die Leute, die behindert sind und mehr in ihrer Freizeit nach draußen können
und in der Kneipe dann ihr Bier trinken können, das sie dann auch bezahlen mit
gutem Geld, die werden alle dadurch sozusagen in die Lage versetzt,
erstmals am wirtschaftlichen Kreislauf teilzunehmen.
Also Leute, spart nicht an der falschen Stelle.
Ja, Sarah? Ich würde auch noch mal kurz ergänzen.
Also genau, wir haben es jetzt eben hier in der Wissenschaft mit so einer Sparpolitik
zu tun und ich glaube, da muss man auch nochmal ganz deutlich sagen,
dass Austeritätspolitiken,
genau, wir als Disability Studies-ForscherInnen, wir sehen uns ja auch immer
als machtkritisch an und Austeritätspolitik ist immer auch Machtpolitik.
Dann müssen quasi Leute da entscheiden, was gekürzt werden soll,
werden gegeneinander aufgespielt sozusagen.
Und eigentlich muss man eben, ich fand es sehr schön, Siegfried,
Geld ist genug, da muss man sich halt entscheiden, für was man das ausgeben will.
Das ist eine gesamtgesellschaftliche Frage.
Will man das für Bildung ausgeben, will man das für Barrierefreiheit und Inklusion
ausgeben oder wie es eben aktuell geschieht, für Dinge, die eben nicht nachhaltig sind.
Das wollte ich vielleicht noch kurz ergänzen. Sind das denn jetzt eure Institute,
die das abschaffen, weil die das Geld nicht kriegen?
Sind es die Regierungen oder die Landesregierungen, die das abschaffen,
weil sie das Geld nicht an die Institute geben, die euch finanzieren?
Wer drückt da den ersten Knopf?
Ja, in Hamburg ist es eindeutig die politische Seite, die sozusagen das Zentrum
für die Submitglieds- und Taleb-Forschung des TEDES über Jahre gefördert hat
und das Geld sozusagen an die Hochschule weitergeleitet hat.
Und seitdem die rot-grüne Regierung in Hamburg kein Geld mehr für das TEDES
geben will, sind wir sozusagen in diese Bredouille gekommen.
Da ist tatsächlich die Politik als erstes zu nennen. Wie ist es bei euch, Sarah?
Genau, also wir haben ja, wie gesagt, ein bisschen eine andere Situation.
Und wir haben uns quasi ein bisschen an die Hamburger rangehängt mit diesem
Appell, um zu warnen, dass es eben nicht so weit kommt.
Deswegen ist das so ein bisschen diffus, sage ich mal. Man kann da jetzt nicht
so den Finger so gut zeigen.
Aber das große Problem sind diese Sparmaßnahmen.
Und ich glaube, es wird irgendwas gekürzt werden. Ich glaube nicht,
dass man die komplett abwenden kann.
Das wäre natürlich mein großer Traum, dass es mehr Geld für Bildung und nicht
weniger gibt und mehr Geld für die Universitäten.
Genau, es wird irgendwas eingespart werden und ohne ein klares Bekenntnis zu
den Disability Studies, zu einer sozialwissenschaftlichen Forschung,
zu Behinderung in deren Sinne sozusagen.
Sind wir halt wirklich gerade sehr gefährdet dadurch, dass die Professur nicht
besetzt ist und dadurch ein leichtes Opfer, sage ich mal.
Bevor wir jetzt darauf zu sprechen kommen, was wir als Zuhörer,
als Betroffene, Nicht-Betroffene daran vielleicht helfen könnten,
ändern können wir es bisher nicht, außer wir sind Politiker und hören diesem Podcast zu.
Aber bevor wir darauf zu sprechen kommen, mir fällt, und jetzt geht meine Frage
eher an die soziologische Seite eurer Persönlichkeiten.
Mir fällt auf, dass dieses, habt ihr schon angesprochen, diese Sparpolitik oder
auch dieser Inklusionsgedanke.
Ich habe eher das Gefühl, nach 16 Jahren UN-Bindandresskonvention in Deutschland,
insgesamt so, auch nach der Klatsche, die man dann in Genf gekriegt hat.
Und ich habe ja das Gefühl, anstatt dass man jetzt die Ärmel hochkrempelt und
sagt, wir geben richtig Gas, habe ich ja das Gefühl, dass das in der Gesellschaft,
auch in der Politik rückgängig ist.
Kann man das soziologisch überhaupt definieren, warum das so ist?
Gibt es da Gründe? Das kann ja nicht nur an einem Trump oder einer AfD liegen.
Das sind ja andere Leute, die derzeit in Deutschland auch an der Macht sind, Gott sei Dank.
Woran kann ich das irgendwo, gibt es da überhaupt eine Erklärung für,
wenn es eine geben sollte?
Weil ich stelle mir die Frage, ich habe bisher noch nicht die Gründe gefunden dafür.
Ich merke an eurem Schweigen, das war eine etwas anspruchsvollere Frage,
aber ich mache mir da so Gedanken darüber und finde einfach nicht den Schlüssel,
warum man das Gefühl hat oder ob das nur ein Gefühl ist.
Aber ich bin ja scheinbar nicht alleine damit, dass diese ganzen Sachen,
die wir in den letzten Jahren mühselig aufgebaut haben, mit viel Engagement
von Menschen, die betroffen sind und mit der Gesellschaft, die aber trotzdem
einen Schritt nach vorne gemacht hat.
In Luxemburg gibt es die Springprozession. Das ist so eine katholische Institution,
die ist jeden Pfingstmontag und dann springt man drei Schritte nach vorne und zwei zurück.
Und man kommt immer einen Schritt nach vorne. Und hier habe ich das Gefühl,
wir sind drei nach vorne gesprungen und springen jetzt jeweils vier zurück.
Ja, das ist ein gutes Bild.
Ich versuche es einfach mal. Also ich schaue da mal so ein bisschen aus der
Schule und Sarah kann das dann nachher alles ordnen, was ich dann so will hier. Na super.
Genau, ich habe das Gefühl, es sind ja nicht nur Disability Styles,
es ist ja nicht nur Behinderung, die diesen Backlash reinrutschen,
sondern es sind ja auch andere sozusagen neue Denkweisen, also alles,
was mit Queerness zu tun hat.
Also die Frage nach dem Geschlecht sozusagen, welches Geschlecht gibt es,
wie viele Geschlechter gibt es, das ist zum Beispiel auch so eine Sache,
die wird nicht mehr gerne realisiert.
Man möchte die Sprache da auch wieder zurückdrehen, also das Sprechen von ForscherInnen.
Es fällt vielen Leuten dann auf einmal schwer oder mögen es nicht gerne, das zu betonen.
Und ich glaube, das hat etwas mit einer ganz allgemeinen Sache zu tun.
Also es ist nicht, dass die jetzt auf einmal keine Behinderten mehr mögen.
Sowas mag es auch geben, aber ich glaube, das ist nicht generell das Problem.
Es ist eher so, dass...
Das Thema Behinderung, das Thema Queerness, Gender, dass das mehr so für eine
neue Vision gestanden hat in einer langen Zeit.
Also wir Menschen, wir bauen das neu. Also wir bauen eine neue Gesellschaft.
Wir überlegen uns, wie wollen wir neu zusammenleben? Wir wollen ja so zusammenleben,
dass alle mehr oder weniger glücklich dabei sein können und dass jede Person
so sein kann, wie sie gerne möchte.
Und das geht ja dann sogar auch noch in den globalen Zusammenhang über.
Wie wollen wir im Westen mit unserer eigenen kulturellen Tradition mit Menschen
zusammenleben, die aus anderen Kulturkreisen, aus anderen Kontinenten kommen?
All die Probleme, die ja da sind und die ja auch kommen werden.
Und ich glaube jetzt, kommt der Punkt, ich glaube, dass vielen Menschen auf
einmal das alles viel zu heiß und viel zu bedrohlich wird und dass sie eigentlich
jetzt lieber einfach, jetzt kommt ein ableistisches Bild, die Augen zumachen wollen.
Die wollen einfach das gar nicht wahrhaben, was da auf sie zukommen wird.
Und deshalb wollen sie nicht nachdenken und deshalb wollen sie auch mit dem
ganzen Behinderungsthema nichts
mehr zu tun haben und wollen gerne eigentlich so ein bisschen zurück,
zurück in die schöne heile Welt Deutschlands in den vielleicht 60er Jahren, wo doch klar war,
wie Männer und Frauen miteinander umgehen sollen, wo es ja nicht so viele Menschen
mit anderen Kulturen Hintergründen in Deutschland gab, wo man sozusagen...
Wo alles noch gut geregelt war und wo diese ganzen komischen neuen Umgangsweisen
einfach kein Thema waren und jeder wusste, wie er sich zu verhalten hatte.
Die Dinge waren geregelt, jede Person konnte arbeiten, es war genug Arbeit da
und die Umwelt hat auch noch nicht so Probleme bereitet.
Es war eigentlich alles sozusagen aus jetziger Perspektive eine ganz schöne, heile Welt.
Früher war alles besser, ne? Ja, genau.
Das ist jetzt mein, wie gesagt, einfach mal so drauf losgeplaudert und Sarah
kann das jetzt mal schnell ordnen.
Also ich wünschte, genau, ich stehe da auch so ein bisschen vor,
teilweise, dass ich mich wundere, wie schnell es jetzt auch,
finde ich, ging, dass von so einer positiven Vision, und auch so das Gefühl
hatte, viele zogen auch so am gleichen Strang, sage ich mal,
dass das jetzt irgendwie alles nicht mehr so wichtig sein soll.
Ich glaube, das hat schon auch ein bisschen was zu tun, dass wir in so einer
spätkapitalistischen Gesellschaft leben,
wo jetzt auch so diese, also auch an anderen Ecken und Enden sozusagen diese
zum Beispiel Austerität, keine Ahnung, unsere Infrastruktur geht ja auch irgendwie kaputt.
Ich weiß nicht, ob jemand von euch in letzter Zeit mal Bahn gefahren ist.
Das ist richtig möglich.
Und da, glaube ich, gibt es halt immer so eine Art Abwehrkämpfe gegen das,
was dann damit verbunden ist mit so einem Fortschrittsgedanken.
Also eben, es ist ja nicht nur Queer, Gender, Disability.
Gegen Migration ist man jetzt wieder ganz offen.
Aber auch so zum Beispiel die ganze Nachhaltigkeitsfrage ist ja auch so.
Also Klimawandel und so weiter gerät immer mehr in den Hintergrund.
Also ich finde es schon, dass es insgesamt so eine konservative Wende gibt.
AfD ist da für mich eher ein Symptom, ein sehr drohliches, sehr gefährliches
Symptom. Aber man sieht das ja eben auch bei anderen.
Genau, gesellschaftlichen Strömungen, sage ich mal.
Ja, dass man sich immer mehr öffnet wieder für dieses, wie jetzt Siegfried das
nennen würde, dieses alte Denken sozusagen.
Und genau, ich glaube, manchmal ist das quasi sehr intentional und manchmal
ist es vielleicht auch einfach, ja, in dem ganzen Stress, den man sonst so hat,
sozusagen, hat man halt jetzt nicht auch noch Zeit, sich quasi irgendwie um
diese Themen zu kümmern.
Aber so eine ganz befriedigende Antwort hätte ich da jetzt auch nicht drauf.
Aber schon mal ganz interessante Gedankeneinsätze. Danke dafür.
Ich weiß, dass das natürlich gibt es da keine Rezept oder keine Lösung für,
weil sonst wäre die Lösung schon lange da und hätten auch Menschen sich schon umgesetzt.
Deshalb kann ich das nachvollziehen. Aber danke, dass ihr eure Gedanken da mal
freien Lauf gelassen habt.
Jetzt wollen wir, dass die Disability Studies nicht weggehen.
Wir können natürlich diesen konservativen Gedanken nur damit bremsen,
indem die Menschen, die nicht konservativ denken wollen,
sich dagegen ein bisschen stellen und auch politisch dann die Anker setzen in
Zukunft, das ist natürlich auch etwas schwierig, weil ich das Gefühl habe,
dass mittlerweile in jeder Partei irgendwo konservatives Gedümpel rumläuft.
Also das scheint irgendwie so eine Übermütigung von all diesen Themen,
habe ich so ein bisschen das Gefühl auch.
Es war vielleicht für viele oder für einige too much Inklusion,
too much queer und too much, warum auch immer.
Finde ich natürlich nicht gut, aber das ist so das Gefühl, was ich habe.
Was können wir denn jetzt tun?
Was ist jetzt angesagt? Wir wollen, dass Siegfried in Hamburg bleibt.
Wir wollen, dass eine Vertretungsprofessur zu einer festen Professur geht.
Wir wollen darauf achten, dass Bochum nicht noch auch das dritte Opfer wird.
Was können wir tun? Wie können wir das Ganze unterstützen, dass die Disability
Studies, die wichtig sind, wie wir heute festgestellt haben und unabdingbar sind?
Was können wir tun, damit es weitergeht oder wo können wir wenigstens mal versuchen, etwas zu tun?
Eine Petition. Wir haben eine Petition gestartet, ein Appell, der ist online.
Da haben bis jetzt schon fast 3000 Leute unterzeichnet.
Anfangs haben 150 renommierte ProfessorInnen und AktivistInnen aus In- und Ausland
dort unterschrieben und es zählt jede Stimme tatsächlich.
Je mehr Stimmen wir zusammenbekommen, umso deutlicher wird den Mächtigen in
Politik und Wirtschaft, dass man uns nicht ohne Protest einfach stumm schalten kann.
Von daher, das ist der erste Schritt, den ihr tun könnt. Und ich glaube,
du hast den Link auch auf deiner Seite dann stehen.
Da könnt ihr anklicken und da gibt es eine Version in leichter Sprache.
Es gibt eine Version in Gebärdensprache, in deutscher Gebärdensprache.
Es gibt eine englische Version und so eine Schwersprachenversion auf Deutsch.
Wir hoffen, dass wir die allermeisten Bedürfnisse damit auch ansprechen und
dann einfach anklicken und weiterverteilen.
Also in eure eigenen Netzwerke weiterverteilen. Denn nur so kriegen wir diesen
Schneeball-Effekt hin, dass wir immer, immer, immer mehr Menschen bekommen,
die das unterschreiben. Was passiert mit den Unterschriften?
Also die Unterschriften werden jetzt nicht veröffentlicht.
Also sie werden auch nicht mit Vor- und Nachnamen gespeichert,
sondern mit Vorname und dem ersten Buchstaben des Nachnamens und ich glaube
dann mit der Postleitzahl. Also das ist schon relativ anonym.
Und dann, wenn wir jetzt 15.000, 20.000 Unterschriften drunter haben,
was passiert dann damit? Was wird mit der Petition gemacht?
Dann werden wir das in die entsprechenden Kanäle leiten, also in die politischen
Kanäle, indem wir sagen, hier Leute, hier rot-grüne Regierung in Hamburg,
so viele Menschen haben dafür votiert, dass das Tentum für Disability Service erhalten bleibt.
Jetzt verhaltet euch dann dementsprechend. Wir hoffen, dass es was nutzt.
Ansonsten, liebe Leute, ölt eure Räder an euren Rollstühlen,
schafft eure Blindenstücke, übt eure Gebärdensprache und dann irgendwann treffen
wir uns auf der Straße wieder, oder? wenn es mit der Petition nicht hilft.
Das wäre super. Sarah, was hast du noch für einen Tipp? Was können wir tun?
Ja, also ich würde halt sagen, dass jede und jeder sich da auch Gedanken machen
kann, eben wo er oder sie Einfluss nehmen könnte.
Also ich weiß jetzt nicht, wer hier alles zuhört.
Deswegen einfach der Appell, sich mit den Disability Studies auseinanderzusetzen
und diejenigen, die wirklich in Entscheidungsfunktionen sind oder wenn man Einfluss
hat, auch welche, die in Entscheidungsfunktionen sind, dann sollte man diesen
Einfluss auch geltend machen.
Die Petition kann politischen Druck aufbauen. Wie wir, glaube ich,
jetzt auch so ein bisschen deutlich
gemacht haben, ist es für uns durchaus auch ein politisches Thema.
Also eben nicht nur so, oh schade, dann kann man das irgendwie an der Hochschule
nicht mehr studieren oder so, sondern es geht da eben um mehr.
Es geht da wirklich um eine Forschungsrichtung, die einzigartig ist.
Und deswegen würde ich da eben dafür plädieren, dass jeder sich da mal überlegen
kann, was er machen könnte. Man kann Abgeordneten schreiben.
Und ich finde es ganz wichtig, dass alle Menschen, die in den Universitäten
und Fachhochschulen und so weiter, also im Bildungssektor tätig sind,
sich auch einfach gegen diese Sparpolitik an sich stellen.
Ich finde, da kommt nichts Gutes bei rum und es ist auch nicht zeitgemäß,
an der Bildung und an der Forschung zu sparen.
Und eine Sache wäre mir noch wichtig. In jeder Familie, in jedem Freundeskreis
gibt es eine Person, die eine Behinderung hat oder es gibt viele Menschen,
die älter werden und wenn du älter wirst, dann kommst du auch immer näher in
Kontakt mit Behinderung.
Also es betrifft eigentlich jede Person, die hier zuhört oder die das liest.
Entweder schon direkt oder vielleicht dann mal später selber oder halt über Freunde und Verwandte.
Behinderung ist ein Thema, das gehört einfach zu unserem Leben dazu und können wir nicht wegwerfen.
Diskutieren oder die Augen schließen. Das funktioniert nicht, ist nicht okay.
Genau, auch die ZNBs, wie ich
gelernt habe, die zeitlich Nichtbehinderten können das nicht wegdenken.
Sarah und Siegfried, euch beiden, herzlichen Dank für eure Zeit.
Herzlichen Dank für euren Input.
Sehr interessantes Thema, sehr wichtig. Ich habe ganz viel gelernt heute. Danke dir, Sascha.
Und ich hoffe auch, dass die Zuhörer was gelernt haben. Und vor allem jetzt
bitte ran an die Laptops.
Den Link findet ihr in den Shownotes und die Petition unterschreiben.
Ich werde es auch jetzt tun und ich drücke euch die Daumen, dass die Disability
Studies in Deutschland nicht aufs Abstellgleis gestellt werden,
denn 516 Millionen Euro sind von 2019 bis 2024 nicht genutzt worden,
für barrierefreie Bahnhöfe zu kreieren.
Dann schiebt das Geld woanders hin und nutzt das wenigstens dafür,
das ist vernünftiger. In den Shownotes gibt es, wie gesagt, die ganz wichtigen
Links, auch die Links zur Petition. Also bitte unterschreiben.
Ich wünsche mir, dass wir demnächst auf 10.000 kommen, die diese Petition unterschreiben.
Disability Studies dürfen nicht abgeschafft werden, vor allem nicht von der
Politik weg, reduziert und radiert werden. Mein Name ist Sascha Lang,
ich bin euer Inklusator.
Alles Gute, bis demnächst. Das war der Podcast Eagle Inklusion ganz einfach
leben mit eurem Inklusator Sascha Lang.
Music.
Igel. Inklusion. Ganz einfach leben. Wird dir präsentiert von Inklusator.
Infos zum Inklusator und weitere Folgen findest du unter www.igelmedia.com,
Du möchtest uns kontaktieren? Dann schreibe uns eine Mail an moin.igelmedia.com.
Music.
Inklusator Sascha Lang bedeutet Inklusion. Inklusion ist ein Gesellschaftsprojekt.
Inklusion bedeutet, dass jeder Mensch ganz natürlich dazugehört.
Egal wie du aussiehst, welche Sprache du sprichst oder ob du eine Behinderung hast.
Inklusion heißt teilhaben.
Wir möchten dich mit unserem Podcast dazu motivieren, bereits jetzt an der Gesellschaft teilzunehmen.
Denn nur so können Barrieren abgebaut werden.
Barrieren, die nicht nur im Alltag bestehen, sondern auch in den Köpfen.
Lasst uns diese gemeinsam abbauen.
Music.